Lade Veranstaltungen
Diese Veranstaltung hat bereits stattgefunden.

Vanessa Billy (*1978, Genf; lebt und arbeitet in Zürich) gehört seit einigen Jahren zu den profilierten, im nationalen und internationalen Ausstellungsbetrieb präsenten Schweizer Künstler*innen. Sie beschäftigt sich mit intrinsischen und transformativen Eigenschaften von Materialien, mit der Materialwerdung von Prozessen des ständigen Austauschs innerhalb unserer Umwelt sowie zwischen Menschen und anderen Lebewesen. Die Künstlerin verwendet eine breite Palette organischer und synthetischer Materialien sowie Abfallprodukte, darunter Bronze, Silikon, biobasiertes Harz, Wasser, Metalle, Altöl, Glas und Kunststoffe; ausserdem industrielle Gegenstände wie elektrische Kabel, Automotoren und Glühbirnen. Thematisch erforscht Billy mit ihrer skulpturalen Praxis ökologische Aspekte, Energiekreisläufe, dystopische Visionen und alchemistische Prozesse. Sie zieht Parallelen zwischen physischen und mentalen Konstrukten und hinterfragt die Auswirkungen menschlichen Handelns auf den Planeten.

Die Ausstellung We Become fokussiert auf die Themen Energie und Transformation in Vanessa Billys Werk und dessen Entwicklung über einen Zeitraum von fünfzehn Jahren. Sie ist eine Kooperation mit der Villa Bernasconi in Lancy bei Genf, welche parallel die Ausstellung Redevenir (4.9.-14.11.2021) mit dem Schwerpunkt menschlicher Körper zeigt.

Vanessa Billy schafft Skulpturen als Mittel, sich selbst in der Welt zu verorten und mit den Substanzen in Beziehung zu treten, die unsere Lebensbedingungen mitbestimmen. Sie entwirft Umgebungen, in denen sich Darstellungen von tierischen, pflanzlichen, mineralischen oder mikrobiellen Organismen mit mechanischen Objekten verbinden. Im Mittelpunkt ihres Schaffens steht die Verschmelzung gegensätzlicher formaler Möglichkeiten. Sie unterwirft Materie, ob natürlicher Art wie Vulkangestein oder Seetang, oder konstruiert wie ein Modem, einem Transformationsprozess, dessen Ursprünge schwer zu ermitteln sind. Frühere Werke sind poetische Untersuchungen von Themen wie Natur und Natürlichkeit: Sie bestehen aus einfachen und bescheidenen Materialien, deren Eigenschaften und Wesen Billy schon immer fasziniert haben, und sind oft surreale Gegenüberstellungen oder minimale Arrangements: ein schwerer Stein in einer Plastiktüte, die zu schwach ist, um ihr Gewicht zu tragen, oder eine Glasvase mit gebrauchten Glühbirnen, die in trübem Wasser schwimmt. Diese älteren Arbeiten offenbaren einen raffinierten handwerklichen Ansatz und den Anspruch der Künstlerin, dass die dem Material innewohnenden Qualitäten in einem Werk sichtbar werden, das sowohl konzeptionelle als auch sinnliche Aspekte vereint.

In jüngerer Zeit sind Vanessa Billys Untersuchungen von Stofflichkeit metaphorisch expliziter und inhaltlich dringlicher geworden. Sie beschäftigt sich mit der Verstrickung der zeitgenössischen Menschen in den Kreislauf von Konsum und Abfall. Oft sind sie in ihrem Werk jedoch nur angedeutet und besitzen eine fragmentarische Präsenz. Stattdessen richtet die Künstlerin ihr Augenmerk auf deren Verhältnis zur Welt, auf die Ergebnisse ihres schädlichen Eingriffs in die Natur und auf die Entfremdung von ihr. In ihren Installationen arbeitet Billy mit industriell gefertigten Werkstoffen und Maschinen, aber auch mit natürlichen Materialien wie Sand, Vogelfedern und Kuhhaut. Häufig verwendet sie auch Kunstharze auf Biobasis, wobei sie sich die zähflüssigen Eigenschaften des Materials zunutze macht: Zunächst flüssig, härtet es mit der Zeit aus, wobei die eingeschlossene Luft ihre Spuren hinterlässt und ein Muster bildet, das an Moleküle oder einzellige Organismen erinnert.

Im Zusammenhang mit den Umweltproblemen, mit denen die Welt zunehmend konfrontiert ist, bemerkt Vanessa Billy, dass wir, nachdem wir unsere Energie in den Aufbau gesteckt haben, lernen müssen, die Dinge wieder zu dekonstruieren. Sie schlägt vor, dies über die Idee des Netzwerks zu entwickeln, darüber, wie wir als Lebewesen koexistieren können. Darauf spielen die Ausstellungstitel von Biel und Lancy – We Become und Redevenir – an, dass wir Teil von etwas Grösserem sind, das sich ständig weiterentwickelt. In den neuen, für die Salle Poma geschaffenen Werken betrachtet die Künstlerin diese Herausforderung aus der Perspektive der Natur: Pflanzen und Tiere, die vom Menschen ausgebeutet werden, scheinen als Reaktion darauf neue Formen zu entwickeln, um sich dieser Beherrschung zu entziehen. Werke wie Chenille (2019) und Fishbones (2021) spiegeln anthropogene Einflüsse wider: ein Traktorreifen, der sich in einen kolossalen, krabbelnden Organismus verwandelt, und 3D-Drucke aus Flachsfaser, die eine Wirbelsäule nachbilden. Im Gegensatz zu evolutionistischen Modellen schlägt Billy hybride Formen als einen Weg vor, dem Dualismus zwischen Natur und Kultur zu entkommen, als Versuch, den Menschen in ein de-hierarchisiertes Kontinuum einzuschreiben. Sie präsentiert eine Installation von komplexer Materialität, in der jedes Werk autonom ist, sich aber zu einer Landschaft von veränderter Natur zusammenfügt. Dieses Ensemble simuliert eine mechanisierte oder industriell hergestellte Umgebung, in der der Metabolismus von Tieren und Pflanzen aus dem Ruder gelaufen ist. Auf diese Weise macht die Künstlerin die unzähligen makro- und mikroökonomischen Veränderungen, die der Erde und anderen Lebensformen zugefügt werden, erfahrbar.

Kuratorin der Ausstellung

Felicity Lunn, Direktorin Kunsthaus Pasquart

Publikation zur Ausstellung

Im Rahmen der beiden Ausstellungen in Lancy und Biel erscheint Ende Oktober eine Publikation mit Texten von Simon Baier, Nicole Kunz, Hannah Landecker und Felicity Lunn im Verlag für moderne Kunst (ENG/FR/DT).

Öffentliche Führungen

Do 7.10.2021, 18:00 (dt)     Felicity Lunn, Direktorin Kunsthaus Pasquart

Do 21.10.2021, 18:00 (fr)     Julie Carron, Museologin

Künstleringespräch

Do 28.10.2021, 18:00 (fr)    Vanessa Billy im Gespräch mit Felicity Lunn.

Kunstimbiss

Fr 19.11.2021, 12:15 (dt/fr)               Kurzführung mit Imbiss von Batavia. CHF 15.-, Anmeldung: info@pasquart.ch

Vanessa Billy, We Become, Ausstellungsansicht / vue d’exposition / exhibition view; Foto / photo: Lia Wagner